Länger Leben durch Training
Man liest ja immer wieder, wie gesund Sport sein soll. Sogar ein längeres Leben soll dadurch möglich sein. Die entscheidenden Punkte für eine hohe Lebenserwartung in globaler Betrachtung sind:
- sauberes Trinkwasser
- eine gute Kanalisation
- reichlich Essen
Hinzukommen Wohlstand, medizinischer Standard (niedrige Säuglings-Kindersterberate, lange mit diversen Krankheiten leben können), Bewusstsein für ein gesundes Leben (Bewegung, Ernährung, Nicht Rauchen, usw.) und sicher viele weitere Punkte mehr.
Leben verlängern oder mehr Qualität?
Ob Sport und Training nun wirklich das Leben verlängert, sei dahingestellt. Allzu groß kann der Einfluss nicht sein. Ein viel wichtigerer Punkt ist die Bedeutung auf die Lebensqualität. Das Altern hat zwangsläufig einen Verlust der Kraft zur Folge. Kraftminderung bedeutet einen Verlust von Muskelmasse, Minderung von Knochendichte, Osteoporose, Oberschenkelhalsbrüche (die oft den Anfang vom Ende der alten Herrschaften bedeuten), Balanceschwierigkeiten, Diabetes, Herzkrankheiten und Verlust der Selbständigkeit.
Kraftminderung vs Kraftaufbau im Alter
Anfänger mit 17
Der Kraftverlust über die Jahrzehnte und der Kraftaufbau in fortgeschrittenem Alter scheinen Gegensätzlich zu sein. Das sind sie nicht. Angenommen, ein junger Mensch startet mit Krafttraining und erreicht seine Bestleistung im optimalen Alter, dann wird auch er über die Jahrzehnte Kraft einbüßen. Selbst wenn er immer weiter trainiert. Erreicht er mit 32 Jahren nach 15 Jahren Training einen 300kg Deadlift Bestwert, kann er keinen Rekord im Alter von 74Jahren heben. Aber er mag immer noch 200kg heben können, was unfassbar stark für einen Mann in seinen Siebzigern ist. Ich selbst habe im Gym von Mark Rippetoe in Wichita Falls einen 82 Jährigen gesehen, der 184kg für 5 gehoben hat.
Anfänger mit 50
Startet aber ein 50Jähriger mit dem Training, dann ist er Anfänger und kann sich steigern. Er hat im Vergleich mit sich selbst in den letzten 25 Jahren schon einiges an Kraft verloren. Nichts desto trotz kann er jetzt erheblich Kraft aufbauen, einfach deshalb, weil er weit von seinem genetischen Maximum entfernt ist. Als junger Mann mag er in der Lage gewesen sein, ohne Training 100kg zu heben. Nun sind es womöglich noch 7o kg. Startet er jetzt mit 50 Jahren mit dem Training, kann er immer noch 150kg erreichen.
Natürlich erreicht er nicht den Wert des ersten Athleten, sich selbst kann er toppen. Auch die meisten in seiner Altersklasse.
Das ist sehr beeindruckend.
Beispiel Trainerman
Gerne möchte ich mein eigenes Beispiel anfügen. Ich war schon immer dem Sport verbunden und wollte sehr viel. Mein Sport war Wasserball und ich erkannte früh, dass zusätzliches Krafttraining helfen würde, stärker und besser für meinen Sport zu sein. Was habe ich gemacht?
Nun, das, was die anderen im Gym so gemacht haben. Das, was die Trainer eben empfohlen haben (Internet gab es so noch nicht). Ich habe wahninnig viel Arbeit in all die Maschinen, Isolationsübungen, Kurzhantelübungen investiert, denn ich wollte viel erreichen. Ein guter Sportler sowie ein starker Mann wollte ich sein. Ich fühlte mich stark (obwohl viele offensichtlich viel stärker waren). Manche hatten Langhanteln vom Boden gehoben. Keiner wusste so recht wie und dass es gefährlich sei, sagten auch alle. Dennoch kann ich mich erinnern, irgendwie 100kg gehoben zu haben. In meiner gefühlten Prime Time mit ca. 20Jahren. Bärenstark, wie ich damals war.
Ab ca. 30 Jahren, meinem Ende vom aktiven Wasserball, dominierte der Ausdauersport. Aber auch zu dieser Zeit war klar, dass Krafttraining begleitend hilfreich sein musste. Jeden Schmarrn hab ich gemacht, viel Bodyweight Übungen wie Freeletics und Calisthenics sowie Functional Training. Alles, nur leider kein echtes Krafttraining. Ich war gefühlt fit.
Erst mit Mitte 40 entdeckte ich Starting Strength und das jetzige Krafttraining begann. Startpunkt: magere 92kg bei 2m Körpergröße, viele Beschwerden vor allem am Rücken. Mehrere Bandscheibenvorfälle, einer mit OP. Erste Einheit 70kg Deadlift. Nur 4 Jahre später (wohlgemerkt im fortgeschrittenen Alter), 128kg Körpergewicht und ein 227,5kg Deadlift. Ich würde jetzt mein eigenes jüngeres Ich in der Luft zerreißen.
Jonathon M. Sullivan
hat ein ganzes Buch darüber geschrieben (The Barbell Prescription), zitieren möchte ich vor allem zwei seiner Aussagen:
1.) „The worst advice an older person ever gets is, „Take it easy.“ Easy makes you soft, and soft makes you dead.“
Ich denke, eine Übersetzung kann ich mir sparen. Der Spruch, den ich vor allem von den Älteren am häufigsten höre und der exakt in die gleiche Kerbe schlägt, lautet: „Man soll es ja nicht übertreiben!“ Mein Konter: „Wir untertreiben permanent.“
Compression of Morbidity
2.) There is much talk in the aging studies community about “compression of morbidity,” a shortening of the dysfunctional phase of the death process. Instead of slowly getting weaker and sicker and circling the drain in a protracted, painful descent that can take hellish years or even decades, we can squeeze our dying into a tiny sliver of our life cycle. Instead of slowly dwindling into an atrophic puddle of sick fat, our death can be like a failed last rep at the end of a final set of heavy squats. We can remain strong and vital well into our last years, before succumbing rapidly to whatever kills us. Strong to the end.
Kurz gesagt: möglichst lange stark und fit bleiben, den Sterbeprozess verkürzen und somit wertvolle Jahre gewinnen, ohne älter an sich zu werden.
Das erscheint doch deutlich realistischer, als wirklich Jahre am Ende hinzuzugewinnen. Und wertvoller obendrein. Ich möchte keine Jahre des Leids hinzugewinnen, sondern Leistungsstarke.
Mit einer Maßnahme viel erreichen
Die modernen Zivilisationskrankheiten töten uns nicht, vor allem nicht schnell. Wir können Jahre und Jahrzehnte damit leben und auch lange dahinsiechen.
Wenn wir uns nun einen idealen Plan machen, um mit nur einer Maßnahme so viele Problemfelder wie nur möglich abzudecken, dann landen wir beim Krafttraining der Grundübungen mit der Langhantel (verglichen mit typischen anderen einzelnen Maßnahmen wie Ausdauertraining, sportliche Betätigung wie Wandern, Golfen oder Tennis, Kurse, Gerätetraining, Beweglichkeitsorientierte Maßnahmen wie Yoga, sowie andere eher kopflastige Dinge wie Musik, Tanzen, Sprachen lernen,…Bitte nicht missverstehen, alles wunderbare Maßnahmen, die nur dem Vergleich dienen. Perfekt sind Kombinationen wie Kraft+Tanz+Sprache lernen, oder Kraft+Wandern, oder, bestimmt auch ratsam, Kraft+Selbstverteidigung sowie nach sonstiger Vorliebe).
Krafttraining und Zähneputzen
Ich vergleiche die Maßnahme Krafttraining gerne mit Zähneputzen. Beides ist unbedingt ratsam, ob es Spaß macht oder nicht, ob ich Fan vom Ausdauertraining (Zahnseide) oder vom Yoga (Mundwasser) bin. Ich kann gerne Golfen, was einem weglassen der Süßgetränke gleichkommen würde oder sonstiges. Das Zähneputzen ist die Nummer eins. Ich kann es nicht durch „schwächere“ Maßnahmen ersetzten, gerne aber kombinieren.
Nun, warum landen wir konkret bei einem Krafttraining der Grundübungen mit der Langhantel?
- Wir können den größten systemischen Kraftstimulus setzten und damit am effektivsten die Kraft trainieren.
- Mehr Kraft bedeutet mehr Muskelmasse, die wiederum ein wichtiger Faktor bei der Vermeidung/Linderung der Krankheit Diabetes ist.
- Ein Training im Stehen beinhaltet das Lösen von Balanceproblemen.
- Kraftgewinn ist der Hauptfaktor für die Sturzprophylaxe.
- Die Beweglichkeit ist abgedeckt, da wir große Bewegungsmuster nutzen, ausgeführt über den vollen Bewegungsumfang.
- Die Wirkung auf die Knochen ist größer als bei jedem anderen „Krafttraining“ (Körpergewichtsübungen, Maschinen, EMS,…), weil die Zusatzlast direkt komprimierend wirkt. Kompression, folglich Druck ist ein großer Faktor für einen Stimulus für die Knochen. Deshalb haben Astronauten ein Problem.
- Mehr Kraft, mehr Muskelmasse und stärkere Knochen wirken direkt der Altersschwäche und Gebrechlichkeit entgegen.
- Das Herz-Kreislauf-System erfährt einen Trainingsreiz, weit mehr als bei Maschinen-Training. Er mag bei anderen Formen des Krafttrainings noch höher sein, allerdings ist dann der wertvollere Kraftstimulus niedriger. Zusätzliches Ausdauertraining macht Sinn.
- Krafttraining deckt insgesamt mehr Problemfelder ab, als Ausdauertraining allein.
- Abgesehen davon, ist dieses Training sicher, perfekt Dosierbar, einfach (aber nicht leicht) und zeitsparend, selbst in aller kleinsten Schritten steigerbar, umfassend, logisch, spezifisch für die ältere Bevölkerungsgruppe und übertragbar auf den Alltag.
Value for Money
Insgesamt liefert ein gut gemachtes Krafttraining, das 2-3 Trainingseinheiten die Woche benötigt, am meisten Value for Money. Denn wir wollen ja noch genügend Zeit für all die anderen Dinge des Lebens haben. Arnold Schwarzenegger darf gerne weiterhin 5-6 mal die Woche ins Gym gehen, um sein Bodybuilding-Style des Trainings zu praktizieren.
Lieber trainiere ich nur zwei mal hoch effektiv die Woche, gehe dafür meinem Hobby oder Sport nach, gleich ob Schwimmen, Wandern, Golfen, Tanzen oder Yoga.
Länger Leben durch Training? Nein, das ist nicht der Punkt, sondern
stark bis zum Schluss!
Vielen Dank an Jonathon M. Sullivan & Andy Baker für die vielen Eindrücke aus ihrem Buch The Barbell Prescription.
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